Brigitta Mettler: Neue CEO führt Bethge in die Zukunft
Seit September 2019 ist die Ostschweizerin Brigitta Mettler (*1973) neue CEO der Bethge AG und sagt ganz klar: „Mein Ziel ist es, mit dieser Firma in 14 Jahren das 200-jährige Jubiläum zu feiern.“ Eine klare Ansage einer Frau, die nicht nur in der Textilbranche bereits mehrfach bewiesen hat, dass sie weiss wie Firmen reorganisiert werden. Die Bethge AG hat schwierige Zeiten hinter sich. Die Branche steht seit Jahren unter Druck und der Totalschaden im Sommer 2017 hätte auch gut das Ende der traditionsreichen Zofinger Textilveredlungsfirma sein können. Die ursprünglich gelernte Damenschneiderin Brigitta Mettler hat ihre Heimat, Freunde und ihr Netzwerk in der Ostschweiz verlassen und sich ganz ihrer neuen Aufgabe als CEO der Bethge AG verschrieben. Ein Interview:
Sara Fischer: Frau Mettler, Ihre Leidenschaft für Textilien ist offensichtlich. Sie sind gelernte Damenschneiderin, haben die Technikerschule mit Fachrichtung Bekleidung absolviert, ein Nachdiplomstudium als Betriebswirtschafterin und eine Weiterbildung an der HSG absolviert. Sie sagen selber, dass Sie sich schon immer für Zahlen interessiert haben, weniger aber für den kreativen Teil der Textilindustrie. Mit 28 Jahren haben Sie als Leiterin der Produktionsplanung der Firma Swisstulle in Münchwilen dem Geschäftsführer dargelegt, welche Produktionsumstrukturierungen nötig sind, um die Leistung der Produktion zu steigern. In der Folge wurde innert drei Monaten die Durchlaufzeit nahezu halbiert und die Lieferpünktlichkeit der Swisstulle massiv verbessert. Dies war der Grundstein, sozusagen der Schlüsselmoment, ihrer beruflich äusserst erfolgreichen Karriere. Seither haben Sie während Jahren nicht nur in der Textilbranche, sondern auch als selbständige Unternehmensberaterin, Firmen in Optimierungsprozessen unterstützt. Was hat Sie nun dazu bewogen, als CEO der Bethge AG wieder voll und ganz in die Textilbranche zurückzukehren?
Brigitta Mettler: Als selbständiger Unternehmensberater ist man Einzelkämpfer. Ich arbeite jedoch am liebsten im Team und bewege Dinge gerne gemeinsam mit anderen. Meine Leidenschaft für die Textilbranche hat mich in all den Jahren nie verlassen. Im Sommer 2019 wurde ich von der Besitzerfamilie der Bethge AG kontaktiert. Nach den ersten positiven Gesprächen war neben anderen auch jener Moment ausschlaggebend, als ich zum ersten Mal durch die Produktionsstätte ging und mir die altbekannten Gerüche wieder in die Nase stiegen. Es war also die Liebe zu den Textilien und die bevorstehende unternehmerische Herausforderung, die mich dazu brachten, die Position als CEO der Bethge AG anzunehmen.
Seit sechs Monaten sind Sie nun dabei. Welches Fazit ziehen Sie nach dieser ersten Phase? Welches sind die nächsten Ziele und Herausforderungen?
Die Firma Bethge hat grosses Potential. Sie verfügt nicht nur über den modernsten Maschinenpark Europas, sie hat auch ein super Team an erfahrenen und teilweise langjährigen MitarbeiterInnen, die Motivation zeigen. Die Textilbranche ist seit vielen Jahren unter Druck. Wir können die Zukunft des Betriebs nur sicherstellen, wenn wir den Qualitätsstandard weiterhin hochhalten, flexibel und schnell auf Kundenwünsche eingehen und uns gemeinsam mit unseren MitarbeiterInnen diesen Herausforderungen stellen. Es wird zukünftig nicht einfacher, dem Markt standzuhalten. Es liegt sicherlich viel Arbeit vor uns.
Wie gehen Sie an Ihre Aufgabe als CEO der Bethge AG heran und worauf legen Sie dabei besonderen Wert?
Unser Firmenmotto beschreibt meine Vorgehensweise recht gut: „Gemeinsam geht immer!“ Ich lege grossen Wert auf Kommunikation und ein gemeinsames Ziel. Sowohl intern wie auch extern ist es essentiell, dass miteinander gesprochen wird, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Ich habe in den letzten Wochen nicht nur mit sämtlichen Mitarbeitern ein Gespräch geführt, Ihnen zugehört und Verbesserungsvorschläge entgegengenommen, sondern habe in den vergangenen sechs Monaten auch das Gespräch mit all unseren Kunden und Lieferanten gesucht, um deren Wünsche und Anliegen abzuholen. Nur mit einer gut funktionierenden Kommunikation können wir gemeinsam und rentabel in die Zukunft gehen und so hoffentlich in 14 Jahren unser 200-jähriges Jubiläum feiern.
Sie sind Mitte vierzig und haben sich beruflich bereits mehrfach bewiesen – und das als Frau in einer Männerdomäne. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
(Brigitta Mettler lacht) Für mich ist die Arbeit in einer Männerdomäne nicht mehr speziell. Bei Umstrukturierungen gibt es immer Widerstände. Dies ist aber unabhängig vom Geschlecht eines Mitarbeiters. Ich arbeite grundsätzlich teamorientiert, d.h. es ist mein Ziel, mein Team zu motivieren. Dass ich das kann, habe ich schon bei Swisstulle bewiesen, als ich 60 MitarbeiterInnen dazu animieren konnte, ihre eingefahrenen Prozesse zu verändern, obwohl ich damals nicht mal deren Vorgesetzte war. Ich kann kommunizieren und ich kann motivieren. Ich werde immer wieder gefragt, wie ich mir eine solche Herausforderung überhaupt zutraue. Meine Erfahrung hat aber immer wieder gezeigt, dass meine Prognosen stimmen und ich kann, was ich mache. Ich wünschte mir, Frauen würden sich Herausforderungen gegenüber weniger verschliessen und sich mehr trauen.
Sie haben Ihre Wurzeln, Ihre Familie und ein grosses Netzwerk in der Ostschweiz. Hat es grosse Überwindung gekostet, in den Aargau zu ziehen und wie gefällt es Ihnen im Mittelland?
Das war tatsächlich der schwierigste Entscheid für mich. Mir war aber klar, dass ich ins Mittelland umziehen muss, wenn ich mich dieser Aufgabe voll und ganz stellen will. Es ist und bleibt aber eine tolle Herausforderung, die ich gerne angenommen habe. Zusammen mit meiner Dalmatinerhündin Eni, die mich auch täglich zur Arbeit begleitet, erkundigen wir die Gegend und haben hier bereits viele schöne Orte entdeckt. Wir fühlen uns sehr wohl in Zofingen.